Das Bild wurde dem Buch - Johannes Karaseck - entnommen

1968 wurde anläßlich des 40-jährigen Schuljubiläums durch Schüler der "Heinrich-Pestalozzi-Oberschule" (POS) auf der Naturbühne Schmiedesteine das Theaterstück "Johannes Karaseck" aufgeführt. Das Lehrerehepaar Renate und Hartmut Hoffmann hatten es einstudieren lassen und zur 750-Jahrfeier Sprembergs, 1992, wurde dieses Stück erneut durch ehemalige Schüler auf der Naturbühne "Schmiedesteine" unter Hoffmann's Regie eingeübt und gespielt. Die "Schauspielertruppe" besteht seitdem als kulturelles Kleinod weiter und brachte bereits viele Oberlausitzer Mundart-Theaterstücke zur Bühnenreife. Die "Karaseck-Truppe" trat bereits im Gerhart-Hauptmann-Theater Zittau auf.

Der von Karraseck verleumdete Neusalzaer Schuster

Der am Ende des 18. Jahrhunderts in Nordböhmen und der Oberlausitz populäre, gefürchtete und verehrte Räuberhauptmann Johannes Karraseck (1764-1809), geboren in Smichov bei Prag, war gelernter Tischler und Metzger, der später aus der österreichischen Armee desertierte. Danach fand er Aufnahme in der Schar des Räuberhauptmanns Palme, die in den böhmischen Exklaven inmitten der kursächsischen Oberlausitz ihr Unwesen trieben. Nach dem Tode Palmes übernahm er die Führung. Das Dorf Leutersdorf, damals Neu-Leutersdorf genannt, und zwischen Neugersdorf und Seifhennersdorf gelegen, wurde sein Hauptstützpunkt. Zwischenzeitlich ehelichte er die Gastwirtstochter aus dem Nachbarort Neuwalde Magdalena Greibich. Neu-Leutersdorf bildete damals mit weiteren umliegenden Ortschaften eine böhmische Enklave im kursächsischen Gebiet, von der aus die Raubzüge in die südliche Oberlausitz und Nordböhmen geplant wurden (vgl. V. Ruhland 2004, S. 109f).
Auch die Stadt Neusalza und das Dorf Spremberg gehörten zu seinem Räuberrevier. In Neusalza soll er auch eine ihm treu ergebene Geliebte gehabt haben. Sie wohnte in einem der beiden Giebelhäuser am Obermarkt, in denen später die traditionsreiche Gemüsehandlung des Inhabers Herbert Kinscher untergebracht war. Als man Karraseck durch Verrat in Neusalza aufspürte, versteckte er sich in der Dachnische zwischen beiden Giebeln, wo er unentdeckt blieb. Nach Abzug der Gendarmen, gelang ihm die Flucht über die Dächer. Sein Räuberhandwerk blühte munter weiter, da er auch den Armen der umliegenden Dörfer half.
Als er aber das Rittergut Ober-Leutersdorf, das zu Kursachsen gehörte, ausplünderte und dabei Beutegut verlor, waren ihm und seiner Bande die Häscher bald auf der Spur.
Im Spätsommer des Jahres 1800 war es der kursächsischen Obrigkeit endlich gelungen, den lange gesuchten böhmischen Räuberhauptmann Karraseck und seine Bandenmitglieder dingfest zu machen. Da er als Böhme und strenggläubiger Katholik seine Taten oder Schandtaten sowohl in den böhmischen Enklaven in der Oberlausitz als auch auf kursächsischem Gebiet begangen hatte und dort auch gefangen genommen worden war, nahm die Vernehmung zunächst der Amtmann von Rumburg im Leutersdorfer Kretscham vor. Weil das Verhör jedoch in tschechischer Sprache stattfand, dessen Inhalt die Deutschen nicht verstanden, kam es zum Tumult, und der böhmische Amtmann von Rumburg musste schleunigst abreisen. Nun wurden Karasek und seine Getreuen auf Anweisung des Obergerichtsamtes Bautzen nach kursächsischem Recht behandelt. Die Stunde der Vergeltung war gekommen.
Am 7. September, einem Sonntag, traf die Weisung ein, die gefangenen Räuber in die Festung Ortenburg nach Bautzen zu schaffen.
Am frühen Morgen des darauffolgenden Tages setzte sich der Zug der Gefangenen von Leutersdorf nach Bautzen in Marsch. Mit schweren Fesseln und mit Stricken an die Pferde der Dragoner gebunden, wurden die Gefangenen jeweils einer zwischen zwei Soldaten gestellt, um über Ebersbach und Neusalza, dem vorläufigen Ort, ihrer Bestimmung zugeführt zu werden. Die Kunde davon eilte durch die gesamte südliche Oberlausitz. Es fanden sich viele Schaulustige ein, die die gefangenen Räuber bemitleideten oder beschimpften. Auf dem Marsch nach Bautzen kam es deshalb zu mancherlei Szenen und Marschstockungen.
In Neusalza verursachte der Gefangenenmarsch ein besonderes Ereignis. Die Kunde, der berühmt-berüchtigte Räuberhauptmann werde mit seiner Bande durch das Städtchen transportiert, hatte zahlreiche Menschen aus der Umgebung dorthin angelockt. Für einen Schuster aus Neusalza war es eine besondere Genugtuung, Karraseck und seine Leute als Gefangene zu erblicken, da er von den Leuten des „böhmischen Hansel“ vor über einem Jahr heimgesucht und bestohlen worden war. Der Neusalzaer Handwerker wollte es Karraseck bei dieser Gelegenheit heimzahlen und hatte sich etwas Besonderes ausgedacht: Mit dem Knieriemen in der Hand wartete er am Eingang des Städtchens auf den Gefangenenzug und verkündete laut vor den Schaulustigen, damit die Strauchdiebe so zu züchtigen, dass sie von geübter Hand eine gesalzene Wegzehrung auf dem Marsch nach Bautzen mitbekämen.
Von zwei Dragonern in der Mitte postiert, nahte als erster Gefangener des Zuges erschöpft der gefesselte Karraseck. Dem Räuberhauptmann war schon von weitem der an der Straße stehende schreiende Schuster mit dem Knieriemen in der Hand aufgefallen. Karraseck ahnte, was das zu bedeuten hatte und rief dem an der Spitze des Gefangenentransports reitenden Dragoner-Wachtmeister Vogel zu: „Ihr habt mich gequält, Wachtmeister, meine Helfer zu nennen, da vorn der kleine Dicke mit der blauen Zipfelmütze hat mir am meisten und längsten gute Dienste geleistet. Nehmt ihn mit, den Kerl, er kann Bautzener Grütze essen so gut wie ich!“ Die Anwesenden waren zunächst verblüfft, dann aber setzte ein maßloses Gejohle ein. Man konnte dabei nicht zu unterscheiden, ob Beifall oder Entrüstung als Folge der ebenso raffinierten wie schadenfrohen Lüge Karrasecks zum Ausdruck gebracht wurde.
Während der Wachtmeister noch unter den zunächst Stehenden nach dem bezeichneten kleinen Dicken mit der blauen Zipfelmütze suchen ließ, ergriffen bereits einige handfeste Leute aus der Menge den vor Schreck und Entrüstung über die ungeheuer blamierende Beschuldigung sprachlos dastehenden Schuster, um ihn am Entweichen zu hindern. Ohne Zweifel wäre der ehrliche Neusalzaer Schuster ohne weiteres gezwungen worden, den Marsch nach Bautzen in Gesellschaft der Räuber mitmachen zu müssen.
Jedoch fanden sich achtbare, einflussreiche Einwohner des Städtchens, die sich des grundlos verdächtigten und bedrohten Mitbürgers annahmen und sich beim Wachtmeister für ihn verbürgten. Der Schreck über die von Karraseck gegen ihn erhobene Beschuldigung und der damit drohenden Verhaftung war ihn derart in die Glieder gefahren, dass er auf die den Gefangenen zugedachte Züchtigung verzichtete. Noch blass vor Angst und Ärger, schlüpfte er in das Haus eines Bekannten, ohne sich weiter um den Transport der gefangenen Räuber zu scheren. Wegen dieses Vorfalls, der den Neusalzaer Schuster beinahe in die Gemeinschaft der Spitzbuben geführt hätte, ist er von seinen Mitbürgern später oft gehänselt worden (Vgl. E. Rönsch 1991, S. 399ff).
Johannes Karraseck, genannt auch „böhmischer Hansel“, wurde in Bautzen der Prozess gemacht und zum Tode verurteilt. Seine Inhaftierung erfolgte von 1800 bis 1803 im Verlies des Burgwasserturms der ehemaligen Fronfeste Ortenburg. Auf Karrasecks Gnadengesuch hin wandelte der damalige sächsische Kurfürst Friedrich August III. (1750-1827) das Todesurteil in lebenslange Kerkerhaft um, die er bis zu seinem Tode im Baugefängnis in Dresden verbüßte.
An den Folgen der schweren Haft verstarb er erst 43jährig am 14. September 1809 (vgl. V. Ruhland 2004, S. 110).
Karaseck gehört zu jenen historischen Männern, die sich als `edle Räuber` zum Anwalt der Armen machten und sich der Willkür der Obrigkeit widersetzten .... Die mittellosen Volksschichten betrachteten seine `heldenhaften Taten` als Akt der Vergeltung gegen die Unterdrückung und verklärten sein Bild (D. Sehn 1990, S. 209, 214). So blieb die Erinnerung an den legendären Räuberhauptmann bis heute in der Oberlausitzer Bevölkerung bestehen. Das „Karasek-Museum“ in der oberlausitzer Gemeinde Seifhennersdorf erinnert an ihn.

Literatur:
E. Rönsch: Johannes Karasek, der bekannte und gefürchtete Räuberhauptmann der Oberlausitz. Eine Volkserzählung aus dem Ende des 18. Jahrhunderts. Nach geschichtlichen Quellen und mündlichen Überlieferungen … Waltersdorf: Oberlausitzer Verlag Frank Nürnberger 1991.

Die Episode über Karaseks Neusalzaer Geliebte übermittelte mir Herr Günter Hensel, die ihm von älteren Bürgern Neusalza-Sprembergs erzählt wurde.

Volker Ruhland: Johannes Karraseck – ein Oberlausitzer Volksheld. In: Oberlausitz- Schöne Heimat. Hrsg. von Frank Nürnberger. Spitzkunnersdorf: Oberlausitzer Verlag 2004, S. 109-110.

Dietmar Sehn: Räuberhauptmann Karaseck. In: Urania-Universum, Band 36. Leipzig und Jena: Urania-Verlag 1990, S. 209 - 214

Autor: Dipl.-Hist. Lutz Mohr, Greifswald, gebürtiger Neusalza-Spremberger